Aktuelles

Verkehrsrecht- Der Streit um die Verweiswerkstatt und niedrigere Stundenverrechnungssätze

Bei der Unfallregulierung besteht oftmals ein Streit zwischen dem Geschädigten und der Kfz. Haftpflichtversicherung dahingehend, inwieweit der Geschädigte, welcher über seinen Unfallschaden ein Gutachten hat anfertigen lassen, die hierin festgestellten Kosten einer Reparatur in einer Fachwerkstatt entweder durch tatsächliche Reparatur oder durch Abrechnung des Nettobetrages laut Gutachten verlangen kann oder ob er sich auf oftmals von den Versicherungen angegebene typenoffene (Verweis-) Werkstätten mit niedrigeren Stundenverrechnungssätzen verweisen lassen muss. Grundsätzlich kann man sagen, dass der Schädiger gemäß § 254 Abs. 2 BGB den Geschädigten, welcher eine Schadensminderungspflicht hat, auf eine günstigere Reperaturmöglichkeit in einer freien Fachwerkstatt verweisen kann, wenn diese für den Geschädigten mühelos und ohne Weiteres zugänglich ist und der Schädiger darlegt und beweist, dass eine Reparatur in dieser (Verweis-) Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Werkstatt unzumutbar machen würden. Es kommt daher in der Praxis immer auf die konkreten Umstände im Einzelfall an. Die Rechtsprechung, welche nicht einheitlich ist, geht z.B. davon aus, dass bei Fahrzeugen die nicht älter als drei Jahre sind, ein Verweis unzumutbar sein kann, wenn das Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt repariert und gewartet wurde oder gar die Reparatur in der Verweiswerkstatt nur deshalb günstiger ist, weil dem eine vertragliche Vereinbarung des Haftpflichtversicheres mit der Werkstatt zugrunde liegt, wonach niedrigere als die marktüblichen Preise gelten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nunmehr mit zwei aktuellen Entscheidung (BGH, Urteil v. 28.04.2015, Akz.: VI ZR 267/14 und BGH, Urteil v. 11.11.2015, Akz.: IV ZR 426/14) hierzu weitergehend entschieden, dass diese Grundsätze auch im Rahmen der Regulierung von Kaskoschäden gelten, wenn die vertragliche Regelung im Kaskoversicherungsvertrag hierzu keine konkrete anderweitige wirksame Regelung trifft. Bei der Unfallregulierung sollte im Streitfall eine fachkundige Beratung in Anspruch genommen werden, um unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung zu seinem Recht zu gelangen.

Gutachterkosten als unteilbare Rechtsverfolgungskosten ?

Neben der Frage der grundsätzlichen Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten, kann es zu einem (weiteren) Problem im Verkehrsrecht dann kommen, wenn dem Geschädigte eine Mithaftung trifft und somit die weitergehende Frage zu stellen ist, ob insoweit auch die Gutachterkosten -entsprechend der Haftungsquote- zu kürzen sind. Nach der überwiegenden Rechtsprechung im Verkehrsrecht und nach der Regulierungspraxis der Versicherer, werden (derzeit) auch die Gutachterkosten im Verkehrsrecht nur entsprechend der Haftungsquote gezahlt. Insoweit liegt jedoch die 1. Entscheidung eines Oberlandesgerichts (OLG Rostock, Urteil vom 25.02.2011, 5 U 122/10) veröffentlicht vor, welche im Falle eines Unfalls auf einem Parkplatz von einer Haftung zu Gunsten des Geschädigten von 2/3 ausging, jedoch die dem Geschädigten entstandenen Gutachterkosten nicht entsprechend der Haftungsquote gekürzt hat. Als Begründung führt das Gericht hierzu im Wesentlichen aus, dass die Sachverständigenkosten Rechtsverfolgungskosten seien, deren Ersatz gegenüber dem Schädiger im Rahmen der §§ 249 f.f. BGB begründet ist, wenn diese Kosten aus der Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren. Hiervon wird ausgegangen, wenn ein verständig wirtschaftlich denkender Mensch nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte. Die Sachverständigenkosten sind nach Ansicht des Gerichts in vollem Umfang erstattungsfähig, weil diese erst dann (deshalb) entstehen, wenn (weil) der Geschädigte seinen erstattungsfähigen Anteil des Gesamtschadens gegenüber dem Schädiger beziffern und belegen muss. Sie würden nicht anfallen, wenn der Geschädigte den Unfall selbst verursacht hätte und dienen daher im Falle der Mithaftung dazu, den aufgrund der jeweiligen Haftungsquote erstattungsfähigen Anteil vom Schädiger ersetzt zu bekommen (Amtsgericht Siegburg, Urteil vom 31.03.2010,DAR 2010,389).

Anders als bei den Rechtsanwaltskosten, kann ein Anteil entsprechend den Schadensverursachungsbeiträgen nicht errechnet werden, weil der Sachverständige insoweit eine nicht teilbare Gesamtleistung erbringt und nicht etwa nur die Reparaturkosten nach einer Quote errechnet, weshalb nach Ansicht des Gerichts die angefallenen Gutachterkosten (ungekürzt-unteilbar), unabhängig von einer bestehenden Mithaftungsquote, zu 100 % vom Schädiger zu ersetzen sind. Ob sich die dahingehende Rechtsprechung im Verkehrsrecht in der Praxis und im Rahmen des Regulierungsverhalten der Versicherer durchsetzen wird, bleibt abzuwarten und hängt nicht zuletzt von weiterer hierauf gegebenenfalls folgender (veröffentlichter) Instanzrechtsprechung im Verkehrsrecht ab.

Zu dieser letztendlich umstrittenen Frage, hat nunmehr der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 07.02.2012, Aktenzeichen VI ZR 133/11, eine Entscheidung getroffen. Der für das Schadensrecht zuständige VI. Zivilsenat beim Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung unter anderem klargestellt, dass die Sachverständigenkosten genauso wie die weiteren Schadenspositionen eines Geschädigten (nur) im Umfang der jeweiligen Haftungsquote zu ersetzen sind. Es ist daher nunmehr damit zu rechnen, dass auch die Instanzgerichte dieser Auffassung folgen und demnach im Ergebnis mehr Rechtssicherheit in der Praxis hierdurch gewährleistet wird.

Sollten Sie in einen Verkehrsunfall verwickelt worden sein und Ansprüche gegen den Schädiger zur Disposition stehen, so vertrete ich Sie als Rechtsanwalt in Oranienburg im Verkehrsrecht bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegen den Schädiger und dessen Versicherer außergerichtlich und vor Gericht sowie bei der Abwehr von unberechtigten Forderungen gegen Sie von Dritten.

Im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens können die tatsächlichen Reparaturkosten, welche den Wiederbeschaffungswert unterschreiten, erstattungsfähig sein.

In den dem Urteil des BGH vom 14.12.2010, Aktenzeichen VI ZR 231/09, zu Grunde liegenden Sachverhalt, lagen die vom Gutachter ausgewiesenen Reparaturkosten über 130 % des Wiederbeschaffungswertes, wobei der Gutachter bei seiner Kalkulation von der Verwendung (wie üblich) von Neuteilen ausgegangen ist. Konkret veranschlagte ein Sachverständiger die Reparaturkosten auf 3.746,73 € brutto, den Wiederbeschaffungswert auf 2.200,00 € und den Restwert auf 800,00 €. Der Geschädigte ließ das Fahrzeug fachgerecht und den Vorgaben des Sachverständigengutachtens entsprechend mit gebrauchten Teilen reparieren, wofür er 2.139,70 € brutto bezahlte und nutzte das Fahrzeug im reparierten Zustand in der Folgezeit über 6 Monate lang weiter.Die Beklagte Versicherung des Schädigers rechnete den Schadensfall durch Zahlung des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes ab (2.200,00 €-800,00 €) und zahlte den Differenzbetrag in Höhe von 1.400,00 € an den Geschädigten aus. Der Kläger begehrte von der Beklagten Haftpflichtversicherung die im Gutachten ausgewiesenen fiktiven Reparaturkosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes, nämlich (2200,00 € : 100 x 30 = 660,00 € + 2200,00 =) 2.860,00 € abzüglich der von der Versicherung bereits gezahlten 1.400,00 € (2.860,00 €-1.400,00 €=), also insgesamt 1460,00 €. Der BGH führt hierzu sehr ausführlich aus, dass grundsätzlich davon ausgegangen werden muss, dass wenn die voraussichtlichen Kosten der Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeuges 30 % des Wiederbeschaffungswertes übersteigen, in der Regel davon auszugehen ist, dass die Reparatur wirtschaftlich unvernünftig ist, so dass der Geschädigte in einem solchen Fall grundsätzlich nur die Wiederbeschaffungskosten abzüglich des Restwertes (Wiederbeschaffungsaufwand) verlangen kann. In dem Fall, in welchem der Geschädigte sein Fahrzeug dennoch reparieren lässt, können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil in Höhe bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlichen unvernünftigen Teil (Kosten welche die 130 % Grenze überschreiten) aufgespalten werden. Da im vorliegenden Fall die tatsächlichen Reparaturkosten (2.139,70 € brutto ) den Wiederbeschaffungswert ( 2.200,00 €) nicht überschritten haben, kann es dem Geschädigten unter Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht verwehrt werden, eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten zu verlangen und vom Schädiger bezahlt zu bekommen, so dass der Kläger im konkreten Fall einen Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen den tatsächlichen Reparaturkosten abzüglich des bereits gezahlten Schadenersatzes (2.139,70 € - 1.400,00 € = ) 739,70 € hat.ein Ersatz der fiktiven Reparaturkosten, welche über dem Widerbeschaffungswert liegen scheidet jedoch aus, da die über den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges liegen bis zur so genannten 130 % Grenze nur verlangt werden können, wenn sie tatsächlich angefallen sind und die Reparatur fachgerecht und zumindest wertmäßig in einem Umfang durchgeführt wurde, wie sie der Sachverständige zur Grundlage seiner Kostenschätzung gemacht hat. Eine generelle Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung besteht demnach nicht. Weitergehende Ausführungen hierzu finden sie auch unten dem nachstehenden Link "Schadensabrechnung".

 

Unterschreitung der kalkulierten Reparaturkosten durch Werkstattrabatt

In der Entscheidung des BGH's in seinem Urteil vom 08.02.2011,Aktenzeichen VI ZR 79/10,kalkulierte der Sachverständige den Schaden des Geschädigten an seinem Motorrad wie folgt: voraussichtlichen Reparaturkosten 10.028,49 € brutto und den Wiederbeschaffungswert auf 6900,00 €. Den Restwert ermittelte die verklagte Haftpflichtversicherung des Schädigers auf (unstreitig) 2710,00 €. Unter Zugrundelegung des Vorliegens eines wirtschaftlichen Totalschadens zahlte die Beklagte den Wiederbeschaffungswert (6900,00 €) abzüglich dessen Restwertes (2710,00 €), insgesamt demnach die Differenz (6900,00 €-2710,00 €=) 4190,00 € an den Kläger aus. Der Kläger (Geschädigte) ließ sein Motorrad in einer Werkstatt nach den Vorgaben des Sachverständigen (zum Umfang der unfallbedingten Schäden) reparieren und nutzte es mindestens über 6 Monate weiter. Für die Reparatur zahlte der Kläger 8925,35 € brutto, wobei die Reparaturwerkstatt auf den Netto - Rechnungsbetrag von 8427,30 € einen Rabatt von 11 % (927,00 €) gewährte. Der Kläger begehrte als Schadensersatz von der Beklagten die Reparaturkosten in Höhe von 8.925,35 € abzüglich der bereits gezahlten 4.190,00 € (8.925,35 €-4.190,00 €=), demnach also 4735,35 €.Das Gericht hatte sich daher unter Berücksichtigung seiner Entscheidung zum Reparaturkostenersatz im Falle der Verwendung von gebrauchten Teilen mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit der Schädiger Ersatz von Reparaturkosten verlangen kann, welche zwar 130 % des Wiederbeschaffungswertes überschreiten würden, jedoch aufgrund eines Rabattes tatsächlich nicht entstanden sind. Anm.: 130 % des Wiederbeschaffungswertes wären (6900,00 €: 100x 30= 2070,00 € +6900,00 €=) 8970,00 €.Der Bundesgerichtshof bekräftigte nochmals unter Bezug auf seine Entscheidung vom 14.12.2010, Akz.: VI ZR 231/09 seine Rechtsauffassung, dass im Falle, dass die Reparaturkosten nicht den Wiederbeschaffungswert überschreiten, dem Geschädigten eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht verwehrt werden kann. In dem Fall, in dem der Geschädigte -entgegen der Feststellung eines Sachverständigen zum überschreiten der voraussichtlichen Reparaturkosten über 130 % des Wiederbeschaffungswertes- dem zuwider sein Fahrzeug trotz alledem reparieren lässt, kann er Ersatz der Reparaturkosten nur verlangen,wenn die tatsächlich durchgeführte Reparatur (deren Kosten nicht 130 % des Wiederbeschaffungswertes übersteigen dürfen) fachgerecht nach den Vorgaben des Gutachtens entsprechend erfolgt ist und der Geschädigte nachweist, dass die Reparatur wirtschaftlich nicht unvernünftig war. Ob die Reparatur wirtschaftlich unvernünftig ist, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung (§ 287 ZPO). Da der Kläger in diesem Verfahren nicht den dahingehenden Nachweis geführt hat, insbesondere keine Gründe dargelegt hat, worauf vorliegend der von der Werkstatt gewährte Rabatt basiert, ist das Gericht davon ausgegangen, dass die tatsächlich durchgeführte Reparatur wirtschaftlich unvernünftig war. Auf die Tatsache, dass aufgrund eines Rabattes im Ergebnis letztendlich die Reparaturkosten knapp unter der 130 % Grenze des Wiederbeschaffungswertes lag, kommt es nach Ansicht des Gerichtes nicht an und wies daher die Klage ab.